LMU München

Numerisches Biomechanik Labor

Kieferorthopädie



Bracketentfernung

Die Entfernung kieferorthopädischer Brackets von der Zahnoberfläche erfolgt mit Hilfe spezieller Zangen und ist in der Regel schnell, einfach und ohne Komplikationen durchführbar. Bei sehr festem Verbund zwischen Bracketbasis und der Zahnoberfläche (z.B. bei Keramikbrackets) kann es dagegen zu hohen Belastungen im Bereich des Zahnschmelzes kommen, was in sehr seltenen Fällen auch zu Schmelzausrissen und sogar zu kompletten Kronenfrakturen führen kann.

Ziel des vorliegenden Forschungsprojektes ist es daher, die Höhe und Verteilung von Spannungen und Dehnungen im Bereich des Zahnschmelzes während der Bracketentfernung zu analysieren. Hierzu werden unterschiedliche Parameter variiert: neben der morphologischen Situation (siehe Abb.1), unterschiedlichen Bracket-Arten und verschiedenen Klebesystemen, ist die eingesetzte Entfernungsmethode der wichtigste Parameter. Zur Durchführung der einzelnen Berechnungen wird die morphologische Situation gescannt (CT, DVT, MRT etc.) und die numerischen Daten in analytische CAD-Daten überführt.

Abb.1: Isolierte Frontzahnmodelle vor Bracketentfernung bei unterschiedlicher morphologischer Situation. Hierbei handelt es sich um analytische CAD-Daten. Die morphologische Varianz hat eine unterschiedliche Belastung der parodontalen Strukturen während der Bracketentfernung zur Folge.

Die Art und Weise der Bracketentfernung ist für die Höhe der im Schmelz induzierten Spannungen und Dehnungen entscheidend. Neben der Kompression der Bracketflügel (siehe Abb.2), ist auch das Abscheren des Brackets von der Zahnoberfläche mit Hilfe einer speziellen Zange ein oft eingesetztes Verfahren. Daneben kann das Bracket auch durch eine frontale oder alternativ, durch eine laterale Rotationsbewegung vom Zahnschmelz entfernt werde. Die adhäsive Kleberschicht sollte dabei an der Bracketbasis verbleiben, was im klinischen Alltag nicht immer der Fall ist.

Abb.2: CAD-Darstellung der zwei gebräuchlichsten Methoden zur Bracketentfernung. Bei der Kompression der Bracketflügel (links) werden diese solange zusammengedrückt, bis sich das Bracket von der Zahnoberfläche löst. Das Abscheren des Brackets ist in der rechten Abbildung dargestellt.

Bei der Entfernung eines orthodontischen Brackets kommt es meist zur Belastung der parodontalen Strukturen, also zur Belastung des Zahnhalteapparates. Das Ausmaß und die Verteilung der dadurch im Zahnhalteapparat induzierten Dehnungen ist Gegenstand unserer Untersuchungen. Offensichtlich wird die Belastung des Parodonts entscheidend durch die gewählte Entfernungs-methode beeinflusst (siehe Abb.3). Die niedrigsten Belastungswerte ergaben sich dabei bei den Simulationen zur Kompression der Bracketflügel. Die höchsten Dehnungswerte traten dagegen am parodontal geschädigten Zahn auf.

Abb.3: Dehnungssimulationen am Zahnhalteapparat bei unterschiedlichen Methoden zur Entfernung orthodontischer Brackets. Die Visualisierung der induzierten Belastung erfolgte durch falschfarbencodierte Darstellung am Parodont.

Um die parodontale Maximalbelastung zu erfassen, können jeweils die einhundert höchsten Messwerte sortiert und graphisch dargestellt werden (siehe Abb.4). Dies erscheint sinnvoll, da ein eventueller Schaden im Bereich des Zahnhalteapparates wahrscheinlich im Bereich der induzierten Maximalwerte eintreten dürfte. Je größer diese Maximalwerte bei einer Entfernungsmethode sind, desto höher erscheint das Risiko für eine parodontalen Verletzung bei Bracketentfernung. Dabei müssen jedoch auch zusätzliche Faktoren (z.B. morphologische Situation, Fläche des Parodonts, Art des Zahnes) berücksichtigt werden (siehe Abb.4).

Abb.4: Graphische Darstellung der maximal induzierten Dehnungswerte bei vier unterschiedlichen Bracketentfernungsarten. Die Darstellung zeigt, wie stark die maximale parodontale Belastung von der gewählten Methode und der morphologischen Situation des Zahnes abhängen.